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Sibirien in Brandenburg...
Mit dem Fahrrad über gefrorene Seen, Flüsse und Kanäle

Zehn Jahre nach der ersten Winter-Tagestour, die wegen unerwartet eisiger Temperaturen zu einem Härtetest ohnegleichen wurde, lockte anhaltendes Frostwetter im Januar 2006 abermals zu einer Winterfahrt durch das Brandenburger Land. Es gab endlose Debatten zu einer Terminfindung, um möglichst viele Interessenten unter einen Hut zu kriegen. Doch letztendlich entschied das Wetter, denn als ein extremer Kaltlufteinbruch plötzlich für sibirische Temperaturen sorgte, stand fest: jetzt oder nie! Da war es geradezu passend, endlich mal den Welzower Ortsteil "Sibirien" unter das Titelbanner zu stellen...
Wegen der ungewöhnlich tiefen Temperaturen (am 23. und 24. Januar bis -20°C) kam es in nur wenigen Tagen zu einem beträchtlichen Anwachsen der Eisdecke auf sämtlichen Gewässern. Bei der Winterfahrt im Februar 1996 standen wir schon einmal kurz davor, den damals bombensicher zugefrorenen Senftenberger See zu überqueren, hatten uns dann aber aus übertriebener Angst vor dünnem Eis nicht getraut... Diesmal jedoch wollten wir uns diese einmalige Gelegenheit keinesfalls entgehen lassen! Letztendlich einigten wir uns sogar auf eine Route, die uns quer über die komplette "Senftenberger Seenplatte" führte...
Für mich sollte dies jedoch erst der Auftakt eines noch verrückteren Vorhabens sein, welches darauf abzielte, die Weiterfahrt bis Berlin weitestgehend an den vorhandenen Gewässerketten zu orientieren. Nach einer frostigen Übernachtung an der Spremberger Talsperre, folgte daher noch eine Durchquerung des gesamten Spreewaldes auf der gefrorenen Hauptspree und die Befahrung einer ganzen Reihe von Seen und Kanälen bis hinauf nach Königs Wusterhausen. In vier Tagen legte ich insgesamt 83 km auf dem Eis zurück, davon allein 35 km auf der Spree! Eine erfolgreich vorangegangene Testfahrt von Berlin/Friedrichshagen über Müggelsee, Müggelspree, Großen Kanal und Seddinsee nach Berlin/Schmöckwitz (16 km ohne Landgang!) hatte die Idee der Gewässerüberquerungen derart ins Rollen gebracht, dass "Sibirien" letztendlich nur ein kleines Schmankerl am Rande einer wahnwitzigen Radtour auf dem Südbrandenburger Gewässernetz wurde...

Rundschreiben nach Rückkehr

Folgendes ist zu berichten: Sibirien ist erobert! Wir haben es am ersten Tag noch gerade so vorm Dunkelwerden bis zum Welzower Ortsteil "Sibirien" geschafft... Das Wetter war angemessen: früh -15°C, tags knapp unter 0°C, abends dann wieder gegen -10°C. Den Senftenberger See haben wir abgesehen von ein paar fahrtechnischen Schwierigkeiten ohne Probleme überquert. Auf dem Geierswalder See war die Eislage dann nicht mehr ganz so sauber. Es gab riesige Risse und wassergefüllte Gräben auf dem Eis, die uns von der geplanten Strecke abbrachten. Wir sind dann am Ufer von Geierswalde wieder an Land und von dort zum Partwitzer See. Hier gings übers Eis nur noch zur dortigen Halbinsel. Der Elch (Thomas Flögel) meinte an dieser Stelle, sein Bedarf an Seeüberquerungen sei erst mal gesättigt...
In Haidemühl hinter Sibirien haben wir uns dann auch von ihm verabschiedet. Mit dem Mei (Alexander Haußmann) bin ich im Dunkeln noch bis zur Spremberger Talsperre gefahren. Eine gemeinsame Übernachtung unter dem Winterhimmel stand noch auf dem Plan. Mit -16°C ist es dann auch ein bischen kälter geworden, als gedacht. Der Mei hat dieses Wintererlebnis wohl nicht so schnell vergessen (es mangelte nämlich an wirklich wärmenden Sachen...). Am nächsten Morgen haben auch wir uns verabschiedet. Der Mei ist auf mehr oder weniger direktem Weg heimgefahren, während ich vor dem Versuch stand, als nächstes die Spremberger Talsperre zu überqueren. Doch ein riesiger wassergefüllter Grabenbruch hinderte mich schon nach wenigen hundert Metern am Weiterkommen. Auch war mir die Eislage insgesamt nicht ganz geheuer, weshalb ich umkehrte und den Spreewald kurzerhand auf dem Festlandwege ansteuerte. Eigentlich wollte ich ja hinter der Talsperre auf der gefrorenen Spree weiterfahren, doch der recht flüssige Zustand der Spree um Spremberg ließ meine Hoffnung diesbezüglich schwinden...
Im Spreewald sah das Ganze aber recht positiv aus. Zwischen den Wehren waren die Fließe wie stehende Gewässer und bombensicher zugefroren, was auch zu einem regelrechten Volksgetummel auf dem Eis führte. Also kein Problem, da mit dem Rad langzufahren. Hier hätten auch die Teilnehmer ohne Spikesreifen kein Problem gehabt zu fahren, denn durch die vielen Schlittschuhfahrer war die Eisoberfläche wunderbar aufgeraut und bildete quasi eine rutschfeste Fahrbahn von Burg bis Lübbenau. (Aussteigen musste man immer an den Wehren bzw. unter manchen Brücken, wo die Wärmerückstrahlung ein Zufrieren verhinderte. Auch ein kleinerer Abschnitt der Hauptspree war offen - vermutlich floss da die Spree mal richtig.) Und als ich dann noch die ganzen Glühweinstände und Kneipentische auf dem Eis sah, wurde mir klar, dass wir den gemeinsamen Teil unserer Winterfahrt hier hätten machen sollen (das wär' dann so ähnlich gewesen wie eine Männertagstour auf Eis...).
Hinter Lübbenau, wo man die "erste Spreewalder Eisparty" feierte, wurde es dann ruhig, obwohl noch immer Schlittschuhspuren meine Fahrbahn vorgaben. Allerdings dämmerte es schon und weil ich nicht im Dunkeln auf dem Eis weiterfahren wollte, aber eben auf dem Eis weiterfahren wollte, bin ich schon kurz nach 17 Uhr in den nächstbesten Erlenbruchwald verschwunden. Dafür bin ich aber auch schon bei Beginn der Morgendämmerung (6 Uhr) wieder aus dem Sack gekrabbelt, um den nunmehr dritten Tag in ganzer Länge auszunutzen, denn die Eisfahrerei dauert schon seine Zeit, da ich mich einerseits ständig genötigt fühlte, Fotos von dem ganzen Irrsinn zu machen, andererseits nicht den Blick für die Eisdicke verlieren durfte (am besten sichtbar an den Rissen). Da gab es nämlich an einigen Stellen kleine Strömungshohlräume im Eis, die mit lustig wackelnden Luftblasen auf eine Eisdicke von manchmal weniger als zwei Zentimetern deuteten.
Hinter Lübben war dann streckenweise der ganze Stromstrich offen oder so dünn beeist, dass dort Wasser aus kleinen Löchern quoll. Alles in allem keine schöne Entwicklung, die mir mitunter ein mulmiges Gefühl bereitete. Als ich dann einmal auf 2 cm dickem Eis stand, dass unter den Füßen anfing zu zerbersten, dachte ich mir, es wird höchste Zeit, die Spree zu verlassen. Das war kurz vor Schlepzig. Aber immerhin: den Ober- und Unterspreewald hab ich auf der Hauptspree durchqueren können - das nenne ich schon einen Erfolg. Damit hab ich das Kapitel Spree abgehakt, denn über Beeskow und Fürstenwalde noch bis zum Müggelsee (wie anfangs noch tollkühn gedacht...), wäre abgesehen von der unsicheren Eislage auch zeitlich nicht mehr machbar gewesen. Also hab ich die Brandenburg-Karte aufgeschlagen und nach alternativen "Eisautobahnen" in Richtung Berlin geschaut.
Der Dahme-Umflutkanal durchschnitt auf verlockende Weise den Waldgürtel um Märkisch Buchholz, so dass ich ab Leibsch auf genau diesen wieder ins Brandenburger Gewässernetz einstieg. Bis zum Köthener See war auch dieser knallhart zugefroren (mit weißem Eis, wie auf den seit Weihnachten zugefrorenen Seen, wo die Eisdicke auf 30 cm anwuchs; das dunkle klare Eis dagegen, meist auf Kanälen und Flüssen vorhanden, bildete sich erst mit dem extremen Kälteeinbruch innerhalb einer Woche, erreichte aber auch Dicken von 15 cm). Doch der Ausfluss aus dem See hatte dann wieder dünnes Eis und ein paar offene Stellen zu bieten, weshalb ich auch hier von einer Weiterfahrt absah.
Nächster Anlaufpunkt: Teupitzer See, wo ich dann wegen hereinbrechender Dunkelheit auch gleich übernachtet habe. Von hier aus wollte ich als letzte verbleibende Möglichkeit die zunächst nach Nordosten verlaufende Seenkette wenigstens bis nach Königs Wusterhausen abfahren, was mir auch in gewisser Weise gelang. Dummerweise waren auch hier die Verbindungskanäle stellenweise (wieder) offen, weshalb ich einige Male aussteigen und an dem folgenden See wieder einsteigen musste. An jenem Dienstag war es mit +1°C schon so milde, dass die Kanäle unter den Brücken auch dort wieder auftauten, wo am Wochenende noch Schlittschuhfahrer rüber sind (sichtbar an den durchgehenden Spuren). Die hinzukommende Dahme hab ich dann aus Vorsicht auch umgangen. Nur die letzten Seen bis KW bin ich noch gefahren, dahinter war die Dahme sogar komplett offen. Mit der S-Bahn bin ich dann zum Berliner Wohnheim und aus die Geschichte.
Zusammenfassend kann ich nur sagen: es war ein grandioses, ja skurriles Erlebnis, das Brandenburger Land auf diese Weise zu erkunden! Der nächste Winter(einbruch) mag kommen - mit den auf dieser Fahrt gemachten Erfahrungen lässt sich's beim nächsten Mal zumindest zielgerichteter planen!

Richard Löwenherz      

zweite Radtour durch den gefrorenen Oberspreewald im Winter 2009...

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